Freitag, 31. Dezember 2010

30.12.2010 Brackwasser oder Meeresbrandung

Gooooooood Morning, India!
Unsere Freude vom Vortag wird ein klitzekleines bisschen durch einen obernervigen Muezzin gemindert, der um Punkt 6.00 Uhr morgens mit einem ohrenbetäubenden Katzengejammer den Tag einläutet. Eiskalt zieht er sein Folter-Programm bis 8.00 Uhr durch. Dass es sich dabei um den einzigen Tag der Rotel-Reise handelt, an dem wir eigentlich ausschlafen könnten ... aber lassen wir solche Spitzfindigkeiten.
Ulli verspürt so langsam den aufkeimenden Wunsch in sich, einfach als Eremit an einem Schweigeseminar in einer gottverlassenen Gegend teilnehmen zu können. Somit entscheidet er sich für einen Strandtag und der Leichtigkeit des Chillens.
Ich hingegen bin bereit, die unendlichen Tiefen der Backwaters zu erkunden! Bei den Backwaters handelt es sich um ein Netz aus rund 1900 km Kanälen, die sich an manchen Stellen zu großen Seen ausdehnen. In diesem Labyrinth palmengesäumter verwunschener Flüsse kann man mit alten Reisbooten einfach die Zeit an sich vorbeifließen lassen. Zwar bot sich mir eine vielfältige Flora und Fauna ... doch bei genauerem Betrachten ... könnte so ein Bad in diesen entzückenden Flüsschen praktisch auch tödlich enden. Das läge dann weniger daran, dass sich dort Krokodile hin verirren könnten, denn mehr an der unfassbaren Verdreckung. So schwimmen hin und wieder Eingeweide und Gedärme friedlich vereint neben buntem Hausmüll an unserem Boot vorbei.
Durch einen Fehler unseres Fahrers hätten wir letztendlich sogar noch fast das Vergnügen gehabt, samt Boot und kompletter Mannschaft die "Brackwasser" von Kerala auch unter Wasser betrachten zu können.
 Nachmittags genießen Ulli und ich dann endlich das herrlich warme Bad im Arabischen Meer gemeinsam. Ein unbeschreibliches Gefühl nach 1500 Kilometern indischer Straßenstrapaze.
Während ich nun nicht mehr aus dem Wasser herauszukriegen bin, fährt Ulli mit seinem neuen Freund Haschisch (typisch indischer Vorname) in ein Fitnessstudio, welches nur für ihn allein geöffnet wurde. Unter Umständen half Ullis diskrete Auskunft darüber, dass er bei der Kripo in Deutschland arbeitet, ein wenig nach.
Dieser Tag schloss mit einem wunderbaren indischen Essen, welches uns direkt am Strand für die ganze Rotelgruppe gereicht wurde. Die Gurkentruppe sozusagen glücklich vereint und mit Gin Tonic versöhnt! Manchmal braucht es doch so wenig, um glücklich zu sein.
In diesem Sinne wünschen die beiden Asien-Globetrotter allen Lesern einen guten Rutsch (im Schnee ... höhö!) ins Jahr 2011, welches wir schon viereinhalb Stunden eher und ... ich sage es ja gern noch mal: bei gefühlten 30 Grad des Nachts, feiern werden!!

29.12.2010 Vereinigung der drei Meere

Die Fahrt geht weiter. Manchmal kann das Aufstehen auch zu einer gewissen Erleichterung des allgemeinen Gesundheitszustandes führen. Aufrechtes Sitzen, ausgestreckte Beine und gefahrloses Umdrehen während der Nacht gehören zu den nicht gebuchten Luxusausstattungen. Aber die Sonne scheint, es ist wohlig warm - das Leben ist schön! Und im nächsten Leben wird es ja schließlich noch viel schöner!!
Nach einer schier unendlichen und Bandscheiben verschleißenden Kamikaze-Fahrt, erreichen wir am heutigen Tag die südlichste Spitze Indiens: Cape Comorin.
Dort fließen drei Meere in einander: Der Golf von Bengalen, das Arabische Meer und der Indische Ozean.
Ein beeindruckendes Schauspiel. An diesem Punkt bemerken wir überhaupt das erste Mal, dass hier der Tourismus beginnt seinen Einzug mit all seinen negativen Facetten zu halten. Überall siedelten sich kleine Verkaufsstände an, aufs Betteln dressierte Kinder hängen an unseren Fersen und ... wir bemerken beinahe erstmalig auch andere weiße Touristen. Bis dato sind wir kaum einer Art von Tourismus begegnet.
Tamil Nadu verlassend, setzen wir unsere Fahrt nun in nordöstliche Richtung fort und erreichen den Staat Kerala. Es handelt sich dabei um die bevölkerungsreichste und wohl auch berühmteste Unionsrepublik Südindiens. Während sonst einsame Reisfelder, Salzgärten und Palmenwälder das Landschaftsbild prägten, reißt nun förmlich der Menschenstrom nicht mehr ab. Häusersiedlungen gehören zum Straßenrandbild und nett winkende und kopfwackelnde Menschen, die sicherlich Bauklötze staunen über 29 Vollidioten in einem rotem Bus.
Abends erreichen wir Kovalam Beach. Die folgenden zwei Nächte werden wir in einem Hotel direkt am Strand verbringen. Unsere Freude kennt keine Grenzen mehr! Wir schleppen uns mit letzter Kraft an den Strand und spülen dort in einem romantischen kleinen Lokal mit Gin Tonic und Cola Bacardi den indischen Staub aus unseren Lungen. Da Inder praktisch keinen Alkohol trinken, haben sie somit auch keinerlei Vorstellungen von Mischungsverhältnissen. Man könnte abschließend zusammenfassen, dass das eine Glas uns gleich in ganz andere Dimensionen schoss.

28.12.2010 Begegnung mit dem Anti-Monsun

Wie immer ist um 6.00 Uhr die Nacht vorbei. Mittlerweile entwickelt sich ein gewisser Teamgeist in der Gruppe, was das Auf- und Abbauen des Rotels angeht. Möglicherweise mag es aber auch daran liegen, dass Ulli in gewohnter Manier dafür sorgt, dass notfalls Polizeisperren errichtet werden, um die halbe Million Inder, die staunend um uns herum stehen, nicht zu gefährden. Oder auch anders herum. Pünktlich um 8.00 Uhr verlassen wir dann die Hotelanlage, allerdings reißt "Schorsch", der urbayerische Rotel-Busfahrer, dabei fast die gesamte Weihnachtsbeleutchtung des Hotels mit ab.
Der Tag führt uns nun nach Madurei, die Perle des Südens. Die 2500 Jahre alte Stadt gehört mit ihren 1,2 Mio. Einwohnern somit zu den kleineren Städten. Allerdings findet man hier die großartigste und beeindruckendste Tempelanlage Südindiens, die mit ihren 33 Millionen Götterfiguren und Dämonen einem schier den Atem raubt.
Nun gibt es jedoch nur eine Möglichkeit den Sundareshwara Menakshi Tempel zu erreichen: mit einer motorisierten Rikscha. Klingt jetzt nicht so spektakulär, kann sich aber tatsächlich schnell zu einem Himmelfahrtskommando entwickeln. Nicht nur, dass Verkehrsregeln in Indien praktisch keinerlei Bedeutung haben und Ampeln lediglich als Deko fungieren, sondern es setzte sogar noch der Anti-Monsun-Regen ein. Über 30 Grad im Schatten und dennoch erschien es, als öffnete der Himmel all seine Schleusen, die sich direkt über einer kleinen Rikscha ergossen.  
Shiva sei Dank kamen wir dennoch ohne größere Verluste bei der monumentalen Tempelanlage an. Und wie üblich mussten wir alle unsere Schuhe bei dem Schuhwächter abgeben, denn keine hinduistische Heiligenstätte darf mit Schuhen betreten werden. Müll kann man ruhig hinwerfen, aber dieses dann bitte nur barfuß. Im Tempel bot sich uns dann das schon vertraute Bild wieder dar: unzählige, wild schwatzende Inder und Inderinnen halten Kaffeeklatsch vor bunt bemalten Figuren, während sich Massen von Menschenansammlungen vor den echten Tempelelefanten oder auch mal Kühen oder ZIegen zusammen scharen.
Für einen Inder hört das Leben nach dem Tod nicht auf, sondern er geht dann lediglich in eine andere Lebensform über, welche jedoch stark abhängig von dem vorangegangenen Leben ist. Bedeutet: hast du in deiner jetzigen Daseinsform beispielsweise Süßigkeiten geklaut, so wirst du als Hund wiedergeboren werden. Vielleicht sollten auch wir unser Strafgesetzbuch echt mal überdenken ...!
Der Tag endete in einem phänomenalen Buffet, welches in einem schon beinahe als fast luxuriös zu bezeichnenden Hotel stattfand. Man wohnt sich ja so langsam hoch - selbst bei Rotel - allerdings nur, was das Duschen angeht. Geschlafen wird natürlich in einer Rotelkabine, die der Größe eines Sarges in nichts nachsteht. Gute Nacht! Egal wie!!