Mittwoch, 19. Januar 2011

06.01.2011 Indischer Abgesang

Das aufgeregte Treiben morgens um 6.00 Uhr kündigt an, dass nun die letzte Nacht im Rotel überstanden ist. Oder anders ausgedrückt könnte man auch sagen, dass sich wohl ausnahmslos alle wieder auf ihr eigenes Bett und vor allen Dingen auf ihr eigenes Klo zu Hause freuen. Die Ausmaße dessen werden uns sicherlich exorbitant vorkommen.
Zuvor genießen wir noch einmal das letzte Rotelfrühstück unter freiem Himmel, welches in seiner Kargheit nicht mehr zu übertreffen ist: wer heute nicht schnell genug beim liederlichen Instantkaffeepulver zuschnappt, der muss sich eben mit lauwarmen Restwasser zum Mundspülen zufrieden geben. Obst gibt es schon lange nicht mehr, obgleich wir in einem Land sind, wo die Kokosnüsse und Bananen einem direkt vor die Füße fallen. Wurst- und Käsereste lassen sich dafür aber noch gut bis zur Schimmelgrenze essen. Wie gesagt, die Ansprüche sinken von ganz allein unter die Schmerzgrenze.
Die letzte Station unserer Reise ist Handels- und Geschäftsstadt Bangalore mit rund 5,4 Millionen Einwohnern. Es ist die Hauptstadt des Bundesstaates Karnataka und gehört durchaus zu den etwas größeren Städten Indiens.
Wieder tuckern wir mit dem Rotel im höchsten gesundheitsschädlichen Maß durch das indische Hinterland und erreichen dann am frühen Nachmittag die letzte Herberge unserer Reise. Dort erwarten uns nicht nur frische Duschen, sondern auch eine große Überraschung: es handelt sich dabei um einen Luxusschuppen, welcher die 3-Sterne-Kategorie erstmalig locker sprengt! Das Interieur der exquisiten Gartenanlage erinnert deutlich an den Stil eines englischen Gentlemen’s Club, dessen Herzstück eine offene Showküche darstellt, bei der die gut betuchten Gäste live die Zubereitung ihrer auserlesenen Speisen verfolgen können. Ein gelecktes Swimmingpool in riesigen Ausmaßen sowie außergewöhnliche Suiten mit eigenen Balkons bilden den makellosen Rahmen.
Und nun fallen genau dort 29 ausgemergelte und bereits vollkommen verwahrloste Rotelianer ein wie ein Wanderheuschreckenschwarm über ein Weizenfeld. Ebenso ausgehungert wird die Speisekarte rauf und runter bestellt, welches dem Chef de Cuisine die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Wie es in Indien so üblich ist, wird uns auch hier bereits während des Essens die Rechnung unter den noch warmen Teller geschoben. Möglicherweise erwecken wir in unserem verlumpten Outfit aber auch nicht gerade den Eindruck, als ob wir täglich in solchen Clubanlagen dinieren. Die Preiskategorie erreicht tatsächlich schon europäischen Standard, so dass rasch noch solidarische Panikspenden in der Gruppe stattfinden. Immerhin ist jenes glanzvolle Swimmingpool ja kostenlos, so dass der Rest des Tages dort seinen Ausklang findet.
Abends lädt unser Reiseveranstalter die verwilderte Rotel-Mannschaft zu einem feudalen Buffetessen ein, welches in seiner exzellenten Hochwertigkeit nicht mehr zu toppen ist.
An dieser Stelle sei kurz bemerkt, dass wohl allen Rotel-Reisenden ein leicht unwohliges Gefühl überkam, in Hinblick dessen, dass in Indien täglich Hunderttausende an Hunger sterben. Dieser Luxusschuppen könnte an jedem Ort der Welt stehen, denn beinahe nichts erinnert daran, dass wir in Indien sind, außer eventuell das indische Hotelpersonal.
Und so dürfen wir gleichwohl auch stolz darauf sein, dass wir den durchaus unbequemen Weg gewählt haben, der so gastfreundschaftlichen und sympathischen indischen Bevölkerung auf Augenhöhe begegnet zu sein. Deren Herzlichkeit, die uns tief berührte sowie die fröhliche und unbefangene Neugierde der Kinder wird uns stets unvergessen bleiben.

Spät in der lauwarmen Nacht erreichen wir den Flughafen Bangalores. Ausnahmsweise pünktlich startet unser Flieger, um uns nach einer langen Flugnacht wieder im kalten Deutschland abzuwerfen. Namasté India!

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